Eines Tages hat mich die Uscha von meinem Platz auf der Bettkante genommen, in mein Transportsäckchen gepackt und los ging die Reise.

Bei lautem Motorengeheul wurde ich aus der Tasche geholt und den Leuten im Boot vorgestellt. Da gab es einen kleinen Jungen, eine blonde Frau namens Femke, 2 weitere Frauen und 2 Männer und natürlich war da die Uscha.

Sie erzählte mir, dass in einer, mit einem Handtuch zugedeckten Transportkiste ein Greifvogel sitzen würde, den wir auf eine einsame Insel begleiten. Die Insel heißt Kotok und auf ihr befindet sich das älteste Projekt von einer Tierschutzorganisation aus Indonesien, mit dem Namen Jakarta animal aid network (JAAN): ein Greifvogelschutz- und -auswilderungszentrum.
Greifvogelschutzprojekt von JAAN

Femke erzählte uns auf der einstündigen Fahrt, dass sie vor 13 Jahren beschlossen hatte, dieses Zentrum zu errichten, weil es kaum mehr freilebende Brahminenweihen gab. So heißt der Vogel in der Kiste. Auf Englisch nennt man ihn brahminy kite, auf lateinisch Haliastur indus (klingt wie ein Zauberspruch, gell?). Eine Insel hieß früher kite island, aber als der Vogel von ihr verschwand, wurde sie einfach umbenannt.

Femke konnte während Felduntersuchungen nur noch 3 Seeraubvögel auf all den 1000 Inseln im Meer vor Jakarta entdecken und da war klar: Sie muss was für diese Vögel tun. Immerhin sind sie das Maskottchen von Jakarta, der Hauptstadt Indonesiens.
Nach Ankunft bekamen wir zwei erstmal eine kleine Führung durch die Anlage.

Zwischen den Bäumen der Insel wurden Netze so installiert, dass sie große Käfige für große Vögel darstellen. In diesen leben die ankommenden Seeraubvögel, bis sie bereit dazu sind, freigelassen zu werden. Manche müssen zum Beispiel erst trainieren, um wieder fliegen zu können. Fast alle müssen das fischen lernen.
Die Geschichte eines Brahminenweih

Burok, der junge Brahminenweih in der Transportbox erzählte mir, während der medizinischen Untersuchung seine Geschichte.
Sie musste sich, wie ich, als ganz kleines Baby aus einem Ei befreien und wuchs mit ihrem Geschwisterchen in einem kuschligen Nest auf. Die Eltern kamen mit leckerem Fisch angeflogen, den sie ihr häppchenweise in den Schnabel legten.
“Eines Tages„ so erzählt sie,“kamen zwei Menschen den Baum hinauf geklettert und packten uns beide in eine Kiste. Lange noch hörten wir das wütende und traurige Rufen unserer Eltern. Aber als ein Motor angelassen wurde, übertönte dieser ihre Schreie. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurden wir aus der Kiste in einen Käfig gesetzt. Wir drückten uns ganz dicht aneinander, weil wir solche Angst hatten. Bald schon kamen viele Leute, um uns anzuschauen, auf uns zu deuten und laut zu diskutieren. Schließlich wurde meine Schwester aus dem Käfig genommen und ich sah sie nie wieder. Auch meine metallene Behausung kam bald an einen anderen Ort. Ich saß Tag ein Tag aus auf der Stange, bekam toten stinkenden Fisch zu essen und wuchs heran. Ein Käfig im Garten eines Hotels war mein Zuhause und oft wurde ich heraus genommen, meine Füße angeleint und ich musste ganz still auf dem Arm von fremden Leuten sitzen, die währenddessen in eine Fotokamera grinsten. Selfie nennt man das…
Eines Tages kamen uniformierte Menschen, die mich mitsamt dem Käfig dort weg holten. Ich kam in eine dunkle Plastikkiste und wurde lange hin und her geschaukelt. Und nun bin ich hier und werde von dieser Frau mit grünem Mundschutz festgehalten und abgetastet.

Aber warum hält sie mich denn jetzt an den Füssen fest? Ich sitze doch normalerweise ganz brav auf dem Arm… Huch, jetzt zieht sie mich nach unten, da flattere ich doch mal lieber!„
Hey Burok, ich bin Ecki, das kleine Chamäleon und ich kenne diese Menschen hier. Sie wollen dir nichts Böses, man nennt sie Tierschützer und sie haben dich aus dem Käfig geholt, weil sie dich freilassen wollen. Und nun müssen sie gucken, ob du deine Flügel benutzen kannst. Viele Vögel die hierher kommen, haben nicht so schöne gesunde Flügel wie du. Sie wurden ihnen von den Menschen gebrochen, damit sie nicht wegfliegen können.
“Ach du lieber Schreck! Da bin ich ja froh, immer schön brav und ruhig auf den Armen dieser ganzen Leute sitzengeblieben zu sein. Stelle dir vor, ich hätte Fluchtversuche unternommen, dann wäre ich jetzt ein Krüppel…„

Das wäre schlimm! ich habe auch schon ein paar dieser flugunfähigen Vögel hier gesehen.

Die Menschen auf der Insel, versuchen ihnen ein schönes Leben in großen Volieren mit viel Klettermöglichkeiten und Partnern zu geben. Da sie aber nicht fliegen können und natürlich ihre Füße übermäßig benutzen, kann es sein, dass sie dort Druckstellen, sogenannte Sohlenballengeschwüre, bekommen. Du hast also wirklich Glück gehabt, nur ein paar Federn verloren zu haben. Wenn sie wieder nachgewachsen sind, dann kannst du bestimmt fliegen.
“Ich habe schon sooooo oft vom Fliegen geträumt. Ich bin zwar noch nie geflogen, aber jeder Vogel weiß, wie es geht und dass wir es zum Glücklichsein brauchen. Ich als Seeraubvogel muss natürlich auch hoch in die Luft steigen, um von oben die Fische zu erspähen.

Was macht die Frau jetzt mit mir? Sie legt mich auf den Rücken und pustet mir über die Brust und hat eine gefährlich aussehende Riesenspritze in der Hand. AAAUuuuutsch jetzt hat sie mir damit in die Brust gestochen, verflixt tut das weh! Warum macht sie das? Ich dachte die Menschen hier sind gut zu mir…„
Du bist gerade gechipt worden. Das bedeutet, dass dir ein kleiner länglicher Gegenstand eingepflanzt worden ist, der eine Nummer enthält.

Diese Nummer ist einzigartig und gehört nur dir. Wenn du also jemals wieder gefangen werden solltest, oder verletzt bist, oder sonst wie in die Hände der Menschen gerätst, dann kann mit einem Gerät deine Nummer abgelesen werden und die Leute hier wissen wer du bist.
“Ok… naja, der Schmerz ist schon gar nicht mehr schlimm… was ist denn nun schon wieder? Jetzt wickeln sie mich wie einen Rollmops in ein Handtuch…„

Keine Angst, du wirst gewogen. Gleich hast du es geschafft! Dann kommst du in einen großen Käfig und kannst deine Flügel mal ausprobieren. Aber da dir einige Federn fehlen, darfst du nicht enttäuscht sein, wenn das mit dem Fliegen noch nicht klappt. Außerdem musst du lernen Fische zu fangen. Darum wirst du immer lebende Fische zu fressen bekommen.

Deine Käfige werden größer und größer, dein Wasserteich tiefer und tiefer.
Aber nun lass uns erstmal zu deinem neuen Zuhause marschieren!

Als wir einen großen Käfig draußen im Meer entdecken, erzählt uns Femke, dass dies die Universität sei. Also der letzte Schritt vor der Freiheit, in dem die Vögel ihre ultimative Lehre bekommen, nämlich das Fischen aus dem Meer. Irgendwann wird dann die Tür geöffnet und der Vogel hat es geschafft und kann sich in den Himmel schwingen.
Weitere Tierschutzmaßnahmen auf der Insel Kotok


Burok wurde dann in die Voliere gesetzt und ließ sich erstmal auf dem Wasserbehälter nieder, um ihre Flügel zu strecken, Federn zu ordnen und sich zu erholen. Nachdem wir uns von ihr verabschiedet hatten, wurden uns noch die Schutzmaßnahmen für Meeresschildkröten auf der Insel gezeigt. Zum einen gibt es Wellenbrecher, die den Sandstrand schützen. Der ist wichtig, damit die Meeresschildkröten dort ihre Eier ablegen können.

Und dann Schutzgitter für die Nester, damit Warane diese nicht zerstören und die Eier fressen.

Am Abend, als wir den Sonnenuntergang bewunderten, kam ein ausgewachsener freier Brahminenweih auf die Universität geflogen.

Ob das nun ein ausgewilderter war, konnte man von Weitem nicht sagen, aber er war wunderschön und vor allem zeigt er, wie erfolgreich die Bemühungen ein paar weniger Leute sein können!
Und damit komme ich zum Ende der Geschichte, über die Rettung des Maskottchens von Jakarta.
Wir bedanken uns bei JAAN für ihre Arbeit!